Review< Zurück 10.02.2011
Von Nick Gruber
Es hat ja kommen müssen. Die irische Sozialsatire anno 1726 wird zum seichten Nachmittagsklamauk für die Generation Toy Story. Inkl. Product Placement und bissgerechter Länge von 80 Minuten.
Lemuel Gulliver steckt sei 10 Jahren als interner Postbote bei einer New Yorker Zeitung fest und sieht dementsprechend starre Grenzen zwischen sich selbst und den Leuten aus der 'Bel étage'.
Vor allem wenn Reiseredakteurin Darcy Silverman (Amanda Peet) spricht, bleibt der sonst gesprächige kleine Mann ganz besonders kleinlaut. Als er zu allem Überdruss auch noch einen 20jährigen als neuen Chef vorgesetzt bekommt, beschließt er sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und Darcy auszuführen.
Einen dramaturgischen Akrobatakt später sitzt der kleine Postbote bereits im Boot um als Reisereporter das Bermudadreieck zu erkunden. Ja wer kennt das nicht? Wie das nun konkret passieren konnte und warum der Drehbuchautor immer noch frei herumläuft ist ein Rätsel bar jeder Beschreibung.
Die Romansatire Gullivers Reisen begleitet den zivilisierten Menschen schon seit seiner ersten Auflage, 1726. Und eigentlich hätte der Stoff kaum an Beißkraft und Treffsicherheit in seiner Sozialkritik eingebüßt. Der irische Scharfsinn von Autor Jonathan Swift stellte damals die jene Selbstgerechtigkeit der Einzelnen an den Pranger, die mit Daniel Dafoes 'Robinson Crusoe' aufgebauscht und bekräftigt worden war. Was gefiel dem Iren daran nicht? Swift fand es nicht recht nachvollziehbar, wie der nichtsnutzige junge Crusoe auf seiner einsamen Insel langsam in einen rechtschaffenen Gottesknecht mit Predigerqualitäten mutieren konnte. Deshalb wurde seinem eigenen Protagonisten Gulliver die Gewissheit vor Augen geführt, dass Menschen, egal ob winzig, groß, alleine oder im Rudel, - sich meistens wie Beutelratten aufführen. Erst bei dessen dritter Reisestation offenbart sich ein anderes Bild. Eine Edelspezies namens Houyhnhnms (sehen aus wie sprechende Pferde) nimmt ihn auf und behandelt ihn zunächst wie jeden dahergelaufenen 'Yahoo' (so der Name für die wortlosen und fressgierigen Menschen auf der Insel der Houyhnhnms). Die Edelwesen haben kein Wort für 'Lüge' und fesseln den Reisenden derart, dass er nach seiner Rückkehr kaum noch was mit Menschen zu tun haben möchte (genau so geht es mir übrigens seit heute übrigens mit Arbeiten von Regisseur Rob Letterman).
Ganz offensichtlich wurde Gulliver bis aufs filmische Knochmark gekürzt. Und obwohl der Film es irgendwie schafft eine seichte Rahmenstory, zwei Drittel aus Swifts Ursprungsidee sowie exzessive Product Placements für Coca Cola, Apple & die Transformers in 81 Minuten zu verbauen - trotzdem ist der Film erstaunlich fade. Zu den wenigen Lichtblicken des Films gehört Chris O'Dowd (bekannt aus The IT Crowd) - doch auch diesem Charakter wird in der deutschen Version leider der letzte Humor wegkastriert. Die ersten Bewertungen auf IMDB rangieren im Bereich rund um 4.7 (von 10) - in der Schule bekommt man dafür eine 5+.
Fazit: Nur mit geschenkten Kinokarten und aufgespreizten Augen genießbar!
Meine Wertung: |
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